Lebendige Lösungen: Klimaresilienz im Himalaya
In einer Zeit, in der Klimawandel und Umweltzerstörung existenzielle Bedrohungen darstellen, finden wir im indischen Himalaya Gebirge bemerkenswerte Geschichten von Gemeinschaften, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Das Projekt „Grounded Imaginaries“ der Organisation „Margshala“ dokumentiert diese hoffnungsmachenden Beispiele. Drei davon aus dem westlichen Himalaya möchten wir euch heute in Kooperation mit Margshala vorstellen. Sie zeigen, wie lokale Gemeinschaften innovative Lösungen für den Klimawandel entwickeln.
Kewar: Nahrhafte Zukunft durch regenerative Landwirtschaft
Das Dorf Kewar im Pindar-Flusstal in Uttarakhand steht exemplarisch für die Herausforderungen, mit denen viele landwirtschaftlich geprägte Gemeinden konfrontiert sind: unberechenbare Regenfälle, steigende Temperaturen, abnehmende Bodenfruchtbarkeit und Konflikte mit Wildtieren, die zunehmend die Ernten zerstören.
Was die Gemeinde in Kewar besonders macht, ist ihre Rückbesinnung auf traditionelle, regenerative landwirtschaftliche Praktiken. Die Frauen des Dorfes spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie haben sich von chemiebasierter Landwirtschaft abgewandt und setzen nun auf natürliche Pestizide und lokale Kulturpflanzen, die einen hohen Nährwert bieten und weniger Wasser benötigen – eine kluge Anpassung an die zunehmende Wasserknappheit.
Bemerkenswert ist auch die Wiedereinführung des traditionellen „Bara Anaaja“-Systems – zu Deutsch „12 Ernten.“ Diese fast vergessene Anbaumethode umfasst den gleichzeitigen Anbau von zwölf verschiedenen Feldfrüchten über das Jahr verteilt. So wird ein durchschnittlicher Ertrag auch bei unvorhersehbaren Wetterbedingungen gesichert: Selbst wenn einige Pflanzen nicht gedeihen, tragen andere immer noch Früchte.
Die Frauen von Kewar haben zudem Saatgutbanken eingerichtet, um traditionelle Samen zu bewahren und ihre landwirtschaftliche Zukunft zu sichern. Sie verstehen die symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Natur und wissen, dass der Schutz von Bienen, nützlichen Insekten und Bodenmikroorganismen letztlich auch für die menschliche Gemeinschaft sorgt.
Sarmoli: Eine widerstandsfähige Gemeinschaft im Wandel
Das Dorf Sarmoli in Munsiari, Uttarakhand, war einst Teil eines florierenden Handelswegs nach Tibet. Nach dem indisch-chinesischen Krieg von 1962 mussten die Bewohner ihre Lebensgrundlage neu ausrichten. Heute steht die Gemeinde vor ähnlichen klimatischen Herausforderungen wie Kewar, darunter unvorhersehbare Regenfälle, verminderte Schneefälle und eine erhöhte Anzahl von Naturkatastrophen.
Was Sarmoli auszeichnet, ist sein ganzheitlicher, gemeinschaftsgeführter Ansatz zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Die Bewohner haben ihre landwirtschaftlichen Praktiken angepasst und sogar neue Kulturpflanzen eingeführt, die früher nur in wärmeren Tälern angebaut wurden – ein klares Zeichen für den Klimawandel, aber auch ein Beispiel für erfolgreiche Anpassung.
Ein Herzstück der Bemühungen in Sarmoli ist die Wiederbelebung einer natürlichen Quelle namens „Mesar Kund,“ die durch menschliche Eingriffe und Klimaveränderungen ausgetrocknet war. Die Frauen des Dorfes starteten eine Bewegung, an der die gesamte Gemeinschaft teilnahm, um den Teich wiederherzustellen und das umliegende Gebiet mit einheimischen Baumarten aufzuforsten. Jährlich wird ein Fest zu Ehren des Teichs abgehalten, das das Bewusstsein stärkt und das Gemeinschaftsgefühl fördert.
Gemeinsam erschaffen von Geschichtenerzählern, Sängern und Schriftstellern sowohl aus der örtlichen
Gemeinschaft als auch darüber hinaus, konzentriert sich dieser Kurzfilm auf die Volkssage von Mesar
Devta, der Gottheit des Teiches.
Besonders vorbildlich ist Sarmolis Modell des naturbasierten, gemeinschaftszentrierten Tourismus. Dorfbewohner bieten Unterkünfte in ihren Häusern an, was nicht nur ein zusätzliches Einkommen schafft, sondern auch den kulturellen Austausch fördert und nachhaltige Praktiken wie Abfallreduzierung und Ressourcenschonung begünstigt.
Nicht zuletzt ist die Stärkung der Frauen ein zentraler Aspekt der Gemeinschaftsentwicklung in Sarmoli. Frauen nehmen aktiv an verschiedenen gemeinschaftsgeführten Initiativen teil, darunter Waldschutz, Homestay-Tourismus und Wassermanagement. Dies hat traditionelle Geschlechterrollen verändert und zu einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft beigetragen.
Pishu: Anpassung an den Klimawandel auf 3.500 Metern Höhe
Das Dorf Pishu im Zanskar-Tal in Ladakh liegt auf etwa 3.500 Metern über dem Meeresspiegel und gehört zu den höchstgelegenen ganzjährig bewohnten Orten im westlichen Himalaya. Mit Temperaturen, die im Winter auf fast -30°C fallen, ist das Dorf jährlich 7-8 Monate von der Außenwelt abgeschnitten.
Doch die durch den Klimawandel verursachte Herausforderung für Pishu ist existenziell: Mit dem Anstieg der Durchschnittstemperatur im Zanskar-Tal trocknen die Gletscher aus, was zu extremer Wasserknappheit führt. Viele Dörfer in der Region wurden bereits aufgegeben, und viele weitere stehen kurz davor.
Doch die Gemeinschaft von Pishu hat innovative Lösungen entwickelt. Sie hat „Zings“ gebaut – traditionelle Erddämme, die Wasser aus den Gletschern oberhalb des Dorfes sammeln und für die Bewässerung während der Trockenzeit nutzen. Um die akute Wasserknappheit zu bekämpfen, arbeitete das Dorf mit einem lokalen Wasserexperten zusammen, um eine nachhaltige Methode zu implementieren: Mit Solarenergie wird Wasser aus einer nahegelegenen Quelle in ein neu gebautes Reservoir gepumpt.
Diese Lösung ist bemerkenswert, da sie lokale Ressourcen nutzt – in dieser Region gibt es reichlich Sonnenlicht – und eine nachhaltige Alternative zu fossilbetriebenen Pumpen darstellt. So erhielt das Dorf durch diese gemeinsame Anstrengung Zugang zu sauberem Wasser, und mit zusätzlicher Finanzierung plant die Gemeinschaft, diese Lösung auf andere Dörfer in der Region auszuweiten.
Was wir daraus lernen können
Kewar, Samoli und Pishu – diese drei Gemeinden und Gemeinschaften im Himalaya verkörpern genau die Art von zukunftsfähigen Lebensräumen, die wir als ChanceMaker Foundation fördern möchten. Sie zeigen, wie innovative, lokal verankerte Lösungsansätze entwickelt werden können, die gleichzeitig:
- Nachhaltige Lebensgrundlagen für die lokale Bevölkerung schaffen: Durch die Anpassung landwirtschaftlicher Praktiken, Diversifizierung der Einkommensquellen und Nutzung erneuerbarer Energien.
- Natürliche Ressourcen erhalten und ausbauen: Durch Wasserkonservierung, Aufforstung mit einheimischen Arten und den Schutz der Biodiversität.
- Ein faires Zusammenleben fördern: Durch gemeinschaftliche Entscheidungsfindung, gerechte Ressourcenverteilung und die Stärkung benachteiligter Gruppen, insbesondere von Frauen.
Was diese Geschichten besonders wertvoll macht, ist die tiefe Verwurzelung der Lösungen in lokalem Wissen und lokalen Traditionen. Die Gemeinschaften greifen auf jahrhundertealtes Wissen zurück, passen es an die heutigen Herausforderungen an und kombinieren es mit modernen Technologien wie zum Beispiel Solarenergie.
Von der Inspiration zum Handeln
Als ChanceMaker Foundation glauben wir, dass die Förderung solcher ganzheitlichen, gemeinschaftsgeführten Initiativen der Schlüssel zu einer gerechten und lebenswerten Zukunft ist. Wir unterstützen Initiativen, die Menschen befähigen, ihre eigenen Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, und die gleichzeitig die Gesundheit der natürlichen Systeme wiederherstellen, von denen wir alle abhängen.
Diese Geschichten aus dem Himalaya zeigen, dass selbst angesichts enormer Herausforderungen Gemeinschaften wirksame Lösungen finden können, wenn sie zusammenarbeiten und auf ihr lokales Wissen bauen. Sie verdeutlichen auch, wie wichtig es ist, Frauen in Führungspositionen zu bringen und junge Menschen einzubeziehen, um langfristige Veränderungen zu bewirken.
Die Herausforderungen, mit denen diese Gemeinschaften konfrontiert sind – Wasserknappheit, unvorhersehbare Wettermuster, Bedrohung der Lebensgrundlagen – sind nicht auf den Himalaya beschränkt. Sie sind Vorboten dessen, womit immer mehr Gemeinschaften weltweit konfrontiert sein werden. Indem wir von den Möglichmachern im Himalaya lernen und ähnliche Initiativen anderswo unterstützen, können wir zu einer gerechteren und nachhaltigeren Zukunft für alle beitragen.
Wie das „Grounded Imaginaries“-Projekt betont: Wir brauchen neue Vorstellungen davon, wie ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen aussehen kann. Die ChanceMaker-Geschichten aus dem Himalaya bieten genau solche alternativen Visionen – verwurzelt in der Realität der Menschen, aber mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Als ChanceMaker Foundation setzen wir uns dafür ein, solche „Grounded Imaginaries“ zu unterstützen und zu verbreiten, damit sie zu Saatgut für Veränderungen in anderen Gemeinschaften werden können. Denn wir sind überzeugt: Die Lösungen für globale Herausforderungen beginnen oft in lokalen Gemeinschaften, die mit Kreativität, Wissen und Entschlossenheit handeln.