Sri Lankas Schulden sind unser aller Bier!

Hannah Vogel, Lorenz Kramer und Clara Sommer sind Studierende an der von der ChanceMaker Foundation geförderten Hochschule für Gesellschaftsgestaltung (HfGG) in Koblenz. Sie wollen aufzeigen, dass Deutschland eine große Rolle beim Schuldenerlass für MAPA-Länder (most affected peolpe and areas) spielen sollte, damit Staaten wie Sri Lanka es schaffen können, Handlungsfähigkeit in der Klimakrise zu gewinnen.

Was würdest du tun, wenn 80% deiner Einnahmen nur dafür draufgehen, dass dein Deckel nicht größer wird? Wenn du in einem Land lebst, das unter seiner Schuldenlast international einknickt? Was, wenn du nur schwer an Lebensmittel, Medikamente und Sprit kommst, obwohl du auf sie angewiesen bist?

Menschen in Sri Lanka müssen sich dieser Realität Tag für Tag stellen, denn: Sri Lanka ist pleite! Gespart wird an den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung. Doch auch Klimaschutz- und Klimafolgekosten (sowie andere Ausgaben innerhalb einer sozial-ökologischen Transformation) können nicht gedeckt werden. Entsprechende Maßnahmen bleiben daher aus.

135 Länder des globalen Südens sind kritisch verschuldet (siehe Schuldenreport 2022). Besonders ernst ist die Lage bei 39 Staaten – unter ihnen auch Sri Lanka. Das sind dreimal so viele Länder wie vor der Covid-19 Pandemie. Teilweise wurden die Schulden unter rechts-unwürdigen Konditionen eingegangen. Mehr als die Hälfte dieser Länder haben bisher keinen Zugang zu Entschuldungsmaßnahmen der G20. Denn diese sind allein Niedriglohnländern vorbehalten.

Worum geht es uns also?

Für die Bekämpfung der Klimakrise braucht die Internationale Weltgemeinschaft jede*n Akteur*in. Staaten, die hoch verschuldet sind, büßen an Handlungsfähigkeit ein, auch um Maßnahmen für den Schutz der eigenen Bevölkerung einzuleiten. Schon heute leiden Staaten im globalen Süden ungleich mehr unter der Klimagerechtigkeitskrise.

Paradoxerweise bieten fossile Großkonzerne verschuldeten Staaten lukrative Deals an. Diese gewähren eine kurzfristige Erleichterung im Bekämpfen des eigenen Schuldenbergs. So sieht sich auch Sri Lanka gezwungen, Öl und Gas aus dem Mannar-Becken für die Tilgung von Schulden anzuzapfen. Eigentlich sollen Geldtöpfe wie der Green Climate Fund oder der Loss and Damage Fund klima-vulnerablen Ländern helfen. Jedoch sind diese bisher nicht ausreichend etabliert und zugänglich. Daher ist es wichtig, Institutionen und Prozesse aufzubauen, die ex-kolonisierten Staaten zugutekommen. Denn gerade dort bestehen bis heute post-koloniale Machtbeziehungen fort.

Soziale Bewegungen und weitere zivilgesellschaftliche Akteuren appellieren an politische Akteure des globalen Nordens, wie mit den Schulden umgegangen werden solle: so fordert Debt4Climate Schuldenerlasse und Erlassjahr Umschuldungsmaßnahmen für Länder des globalen Südens.

Vor genau 70 Jahren wurden Deutschland ungefähr die Hälfte seiner Auslandsschulden erlassen. In solch einer Dimension ist dies bis heute einmalig auf der internationalen Bühne. Unter Deutschlands Gläubigern waren Staaten wie Sri Lanka, Griechenland oder Pakistan, die mittlerweile selbst stark verschuldet sind. Aktuell muss beispielsweise Sri Lanka ohne derartige Hilfe die eigene Zahlungsunfähigkeit navigieren.

Wann sagen wir endlich: „Sri Lanka, stimmt so!“?

Auch Gläubiger profitieren von einem geregelten Schuldenerlass. Denn aktuell können sie verschuldete Länder nur schwer zur Kasse bitten, wenn diese insolvent sind. Es wird nach pfändbarem Eigentum gesucht, wie zum Beispiel besonders wertvolle Kunstwerke oder Marineschiffe. Dies kann die Schulden weder begleichen noch einen fairen, machtsensibleren Handel gewährleisten.

Deutschland, aber auch andere Staaten, können private Gläubiger durch nationale Gesetze transparenter einbinden. Solche Gesetze können Regeln definieren für eine faire Klage- und Vollstreckungspraxis und somit schulden-befördernde Geier-Fonds verhindern.

Außerdem kann Deutschland seinen Einfluss international nutzen, z.B. in der G20, der Weltbank, dem IWF und der EU. Das Ziel ist ein internationales Insolvenzverfahren, bei dem Schuldner und Gläubiger an einem Tisch sitzen und verhandeln, in unabhängiger Begleitung. Die Bundesrepublik als viertgrößter Anteilseigner in der Weltbank, hat eine höher gewichtete Stimme als kleinere Anteilseigner und folglich mehr Einfluss. Doch sind wir als viertgrößte Volkswirtschaft weltweit auch einer der Hauptverursacher der Klimakrise.

Ein internationales Insolvenzverfahren kann einen wichtigen Beitrag leisten für mehr Transparenz und Reparationsleistungen für Schäden, die (neo-)kolonial und klimabedingt entstanden sind. Von dessen Mehrwert profitieren alle Positionen – egal ob Schuldner oder Gläubiger. Es schafft eine neue Grundlage von Zuverlässigkeit und Selbstbestimmung, welche wir in Zeiten der Klimakrise dringend benötigen.

Deutschland kann die internationale Schuldenarchitektur verändern – in Richtung Gerechtigkeit!

Autoren: Hannah Vogel, Lorenz Kramer und Clara Sommer

Bei den Bildern handelt es sich um Entwürfe für Bierdeckel, die in Kneipen und im Alltag auf (neo-)koloniale Praktiken in der Schuldenpolitik hinweisen. Sie sind im Rahmen einer Portfolio-Prüfungsleistung im Modul Innovation und Paradigmenwechsel im Masterstudiengang Ökonomie-Nachhaltigkeit-Gesellschaftsgestaltung entstanden.

Dieser Beitrag wurde erstmals auf dem „studies4future“ Blog der HfGG veröffentlicht.

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